Die digitale Droge

In einer Gesellschaft, die scheinbar „always online“ lebt, gewinnt die Diskussion über die Auswirkungen exzessiven Medienkonsums immer mehr an Bedeutung. Doch obwohl Studien und Erfahrungsberichte alarmierende Einblicke in die Folgen von digitaler Abhängigkeit geben, werden diese Gefahren oft verharmlost oder ignoriert. Dabei zeigen sich die Folgen besonders deutlich: Konzentrationsprobleme, verminderte Aufmerksamkeitsspannen, Aggressivität und Vereinsamung – und das betrifft nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene.

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Digitale Medien – Eine unterschätzte Droge

Für viele ist das Smartphone oder Tablet ein alltägliches, unverzichtbares Werkzeug geworden. Doch diese Geräte üben eine starke Anziehungskraft aus, die den Menschen – oft unbemerkt – in den Bann zieht. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind zunehmend „online“ und das ständige Swipen, Scrollen und Klicken führt zu einer Art „digitaler Abhängigkeit“. Eine Studie der Universität Pittsburgh ergab, dass eine höhere Social-Media-Nutzung mit einem Anstieg von Depressions- und Angstzuständen korreliert. Weitere Untersuchungen zeigen zudem, dass junge Menschen immer öfter unter Konzentrationsproblemen leiden und zunehmend aggressiver werden, wenn sie vom Bildschirm weggerufen werden.

Diese Symptome sind Anzeichen eines wachsenden Problems, das sich schleichend und unbemerkt ausbreitet. Denn übermäßige Bildschirmzeit wirkt wie eine Droge, die Dopamin ausschüttet und uns so das Gefühl von Belohnung und Glück verschafft. Die Digitalisierung hat eine Art Verfügbarkeitssucht ausgelöst, bei der das Gehirn permanent nach dem nächsten Kick verlangt.“ Das Resultat? Eine Gesellschaft, die zunehmend unproduktiver, unruhiger und beziehungsunfähiger wird.

Die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche

Kinder sind besonders anfällig für die Gefahren digitaler Medien. In meiner Arbeit mit Familien und Jugendlichen erlebe ich häufig die negativen Effekte auf Konzentration und Verhalten. Eltern berichten immer öfter von Schulschwierigkeiten, Hyperaktivität und Reizbarkeit.

Und auch das soziale Verhalten leidet. Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die viel Zeit mit digitalen Medien verbringen, Schwierigkeiten haben, soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Die digitale Welt ersetzt das reale Erleben – ein Chat mit Freunden wirkt weniger verbindlich als ein direktes Gespräch. Kinder lernen so weniger, wie man Konflikte im realen Leben löst, wodurch sich ihr soziales Verhalten negativ entwickelt und sogar Aggressionen verstärkt werden können.

Doch nicht nur Kinder leiden. Auch wir Erwachsene bemerken die negativen Effekte – wenn auch oft nicht bewusst. Durch das ständige „Online-Sein“ fällt es vielen schwer, sich zu entspannen und abzuschalten. Unser „Mental Health Load“, also die mentale Belastung, steigt, da wir in einer permanenten Alarmbereitschaft bleiben. Die ständige Erreichbarkeit und das Bedürfnis, immer informiert zu sein, führt bei vielen zu innerer Unruhe, Schlafproblemen und verminderter Produktivität. Dabei verliert das „analoge Leben“ zunehmend an Bedeutung: Beziehungen verkümmern, da das ständige Scrollen durch Social Media- Feeds den persönlichen Austausch ersetzt.

Ein weiteres Problem ist der Vergleichsdruck. Viele Menschen bekommen durch soziale Medien das Gefühl, weniger erfolgreich oder glücklich zu sein als andere, was zu geringem Selbstwertgefühl und in manchen Fällen sogar zu Depressionen führt. Die Journalistin und Autorin Jean Twenge beschreibt dies in ihrem Buch „iGen“ als „Paradox der Einsamkeit“: Trotz Tausender Follower fühlen sich viele Menschen zunehmend isoliert und allein.

Die Verantwortung der Eltern: Vorbilder und klare Regeln

In meiner Arbeit mit Familien thematisiere ich immer wieder, wie wichtig das Verhalten der Eltern für den Medienkonsum der Kinder ist. Kinder beobachten und ahmen nach. Wenn Eltern ständig auf ihr Handy schauen und kaum ansprechbar sind, prägt das auch das Verhalten ihrer Kinder. Hier ist die Vorbildfunktion entscheidend: Eltern sollten ihren Medienkonsum selbst kritisch hinterfragen und bewusst begrenzen.

Es braucht klare Regeln und Grenzen, wie viel Zeit Kinder mit digitalen Medien verbringen dürfen. Doch die Regeln allein reichen oft nicht. Es ist die Konsequenz und Konsistenz, mit der diese Regeln durchgesetzt werden, die Kinder auf lange Sicht prägt. Eine regelmäßige „Handy-freie Zeit“, sei es beim gemeinsamen Essen oder in bestimmten Bereichen des Zuhauses, kann bereits viel bewirken. Eltern sollten eine Medienzeit bewusst gestalten und mit ihren Kindern viel mehr offline Zeit verbringen. Nur so lernen Kinder, dass das reale Leben wertvoll ist und im Mittelpunkt stehen sollte.

Die Lösung: Bewusster Medienkonsum und digitale Balance

Ein bewusster Umgang mit digitalen Medien und das Setzen von Grenzen können den „Digitalen Teufelskreis“ durchbrechen. Das bedeutet, Zeitfenster zu schaffen, in denen das Handy ausgeschaltet ist, und bewusst offline zu gehen. Auch kleine Schritte, wie das Deaktivieren von Benachrichtigungen, helfen dabei, die ständige Erreichbarkeit zu reduzieren und die Konzentration zurückzugewinnen.

Falls du bei dir selbst oder deinen Kindern ein problematisches Suchtverhalten bemerkst, lohnt es sich, professionelle Unterstützung in Betracht zu ziehen. Ein unverbindliches Beratungsgespräch kann bereits helfen, den Medienkonsum zu reflektieren und individuelle Strategien zu entwickeln. Denn digitale Balance ist essenziell – für die mentale Gesundheit und das soziale Wohlbefinden.

Digitale Medien sind längst nicht nur nützlich – sie sind eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wenn wir lernen, die digitale Welt verantwortungsbewusst zu nutzen und auf die Warnsignale unserer Psyche zu achten, können wir den Weg zu einem gesünderen und erfüllteren Leben finden.

Möchtest du darüber sprechen, dann schreib mir unverbindlich…

Aktuell ein hörenswerter Beitrag:

https://sound.orf.at/radio/oe1/sendung/205226/always-online